Flüchtlingsseelsorger und Kreisverkehrswacht boten Flüchtlingen Fahrradkurs an
Friedberg, 23.11.2022 (pca). Für Kinder in Deutschland gibt es Laufräder bereits ab einem Alter von einem Jahr. So lernen sie schnell das Gleichgewicht auf einem Rad zu halten. Wenn sie dann später auf ein richtiges Fahrrad umsteigen, ist dieser Schritt für sie nicht mehr allzu groß. Ganz anders ist das bei der 26-jährigen Gulistan F. aus dem Irak. Sie saß noch nie auf einem Fahrrad. "Undenkbar für sie in ihrer Heimat", sagt Raphael Gök, Flüchtlingsseelsorger beim Augsburger Diözesan-Caritasverband. "Und wir dürfen nicht vergessen, dass dort, woher sie kommt, Frauen keine Rechte haben." Gulistan F. ist mit ihrer Familie aus dem kurdischen Teil des Irak geflüchtet und ist derzeit im Ankerzentrum in Mering untergebracht. Als sie vom Angebot des Fahrradkurses hörte, meldete sie sich sofort an. "Fahrrad fahren ist Freiheit für mich. Ich kann damit selbständig zur Arbeit, ich will nicht immer von anderen abhängig sein", sagt sie.
Neben Gulistan F. nahmen sechs weitere Frauen und vier Männer an dem Fahrradkurs teil. Gök und Josef Messmer, Migrantenseelsorger im Seelsorgeamt der Diözese Augsburg, hatten ihn organisiert. "Seit den ukrainischen Flüchtlingen wissen wir, wie wichtig es für Flüchtlinge ist, mit einem Fahrrad sich sicher und frei auf unseren Straßen bewegen zu können", sagte Messmer. Flüchtlinge erhalten 30 Euro im Monat an Fahrgeld. Doch das ist mit den Fahrten zu den Behörden schnell aufgebraucht. Da sei das Fahrrad eine echte Entlastung und ein Stück Freiheit. Gefördert wird der Kurs übrigens vom Bürgernetz Friedberg. Er sorgte für die Beförderung von Mering nach Friedberg. Für die finanziellen Kosten kommt der Bischöfliche Hilfsfonds der Diözese Augsburg auf.
Auch wenn es den Kurs-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern drängte, sich erstmals auf ein Fahrrad zu setzen, gab Ludwig Beck, Vorsitzender der Kreisverkehrswacht Aichach-Friedberg, zunächst theoretischen Unterricht über die wichtigsten Grund- und Verhaltensregeln im deutschen Straßenverkehr. Da alle Flüchtlinge einen kurdischen Hintergrund haben, hatte sich Pfarrer Daniel Turan von der syrisch-orthodoxen Kirche in Augsburg als Simultanübersetzer angeboten. Danach konnte Beck mit seinem Kollegen Johann Listl, beide ehemalige Polizisten, zum praktischen Übungsteil auf dem Verkehrsübungsgelände der Kreisverkehrswacht an der Wiffertshauser Straße übergehen.
Nachdem jede Fahrradfahrerin und -fahrer einen Fahrradhelm aufgesessen hatte, Beck und Listl keine Mühen scheuten, für jeden die richtige Sattelhöhe einzustellen und manche zunächst am Sattel etwas anzuschieben, starteten die ersten Fahrversuche. Listl fuhr voraus, Beck versuchte von hinten Ordnung zu halten, doch am Anfang gelang es nicht jedem, die Spur zu halten und auf dem Fahrradweg zu bleiben. Der Fahrradkurs war Beck und Listl keineswegs nur deshalb wichtig, "damit sie wissen, was sie auf unserem Straßenverkehr zu beachten haben". Den Wunsch der Flüchtlinge nach diesem Stück der Freiheit auf einem Fahrrad konnten sie beide sehr gut nachempfinden.