Caritas stellt Carikom als barrierearme App für Menschen mit Behinderungen und Senior*innen vor
Augsburg, 09.06.2023 (pca). Ohne Internet ist man heute verloren. Man ist abgeschnitten von Informationen, Kommunikation und vielen Angeboten, die nur noch online zu finden sind. Für Menschen mit Behinderungen und Senior*innen reicht es oft schon, dass die Nutzeroberfläche mehr verwirrt, als dass sie eine Hilfe ist. Für sie ist die Nutzererfahrung alles andere als barrierefrei.
Der Caritasverband für die Diözese Augsburg wollte sich damit nicht zufriedengeben. Negative Erfahrungen im digitalen Austausch während der Corona-Pandemie bestärkten ihn darin, dass Barrieren, auch im digitalen Netz, Menschen insbesondere mit Behinderungen und im Alter behindern und ihnen gesellschaftliche Teilhabe verwehren. Nun liegt eine Antwort der Caritas vor. Sie kann auch im Google App Store heruntergeladen werden. Die Antwort heißt "Carikom-Bildschirm-App" und ist für den User/Nutzer*innen kostenlos. Die Carikom-App wurde nun im Rahmen einer Produktpräsentation der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Carikom-Bildschirm-App blickt auf eine zweijährige Geschichte zurück. Das Projektteam der Caritas mit Verena Rauch, Kathrin Schulan, Lisa Dezauer und Irina Kuster (Projektkoordinatorin) aus dem Fachgebiet Behindertenhilfe und Anja Schwarz sowie Anja Weber aus den Fachgebieten Stationäre und ambulante Altenhilfe haben sich mehrmals mit den Zielgruppen zusammengesetzt und miteinander abgestimmt, was sie sich wünschen oder woran sie scheitern, wenn sie "in das Internet" gehen bzw. - so die Fachsprache - digital teilhaben wollen.
Zudem hat das Projektteam der Caritas Studierende des Fachbereichs Soziale Arbeit wie auch des Fachbereichs Interaktive Medien in das Projekt eingebunden. Die App wurde dann mit der Augsburger Digitalfabrik gGmbH entwickelt. Gefördert wurde das Projekt durch den Bischöflichen Hilfsfonds. "Aus gutem Grund", wie Schwester Anna Schenk CJ bei der Produktpräsentation als Amtsleiterin des Augsburger Bischofs Dr. Bertram Meier sagte: "Das ist ein Leuchtturmprojekt für unser Bistum im Ulrichs-Doppeljubiläumsjahres 2023/2024. Die Carikom-App aktualisiere das soziale Anliegen des Bistumspatrons in unsere Tage. Bischof Ulrich (*890 - + 973) war ein Bischof, der immer zu den Menschen unterwegs war und dem es immer darum ging, Beziehungen zu den Menschen aufzubauen."
Die Carikom-Bildschirm-App erfüllt eine ganze Reihe von Wünschen der Zielgruppen. Antonia Hauf von der Digitalfabrik stellte den Entwicklungsprozess bei der Produktpräsentation des "Gemeinschaftsprojektes" Carikom vor und nannte die wesentlichen Merkmale. Eine klare und leicht verständliche Nutzerführung für die Einrichtung, eine klare Farbführung, Erklärungstexte in Leichter Sprache, d.h. auch in entsprechender Größe, die nicht mit einem Klick für später verschwinden, sondern immer wieder abgerufen werden können, und ein individuell anpassbarer Bildschirm. Damit schafft diese Bildschirm-App eine barrierearme Nutzeroberfläche, von der aus alle weiteren digitalen Angebote leicht gefunden und deshalb auch genutzt werden können.
"Uns leitet der Grundsatz der Teilhabe", betonte Peter Hell, Leiter des Referates Teilhabe und Pflege des Diözesan-Caritasverbandes. Ein "teilhabeorientierter Ansatz", der auch andere Fachbereiche mit einbezieht, war deshalb von Anfang an geboten. Das Ergebnis, die Carikom-Bildschirm-App als barrierefreier digitaler Türöffner, erfüllt dabei auch aus wissenschaftlicher Sicht zentrale Kriterien für eine barrierearme Nutzung. Das zeigte Diplom-Ingenieurin Daniela Krainer von der Fachhochschule Kärnten bei der Produktpräsentation auf. Krainer ist dort an der Entwicklung inklusiver technischer Assistenzleistungen beteiligt. Eine barrierefreie App müsse nicht nur nützlich, sondern auch leicht bedienbar sein, sagte sie. Nur so könne sie in den Alltag "integrierbar" sein. Weitere Aspekte sind ein klares Design und eine entsprechende Ästhetik. Alle Faktoren zusammen, so Krainer, minimieren den Stressfaktor bei der Nutzung der App, weil sie einfach und schnell genutzt werden könne. Gelingt dies erhöht das wiederum die Akzeptanz der App deutlich.
Wie man dieses Ziel erreichen könne, dafür gibt es für sie nur eine Richtschnur, die man einhalten müsse. "Der entscheidende Erfolgsfaktor für die App ist, dass sie respektvoll und wertschätzend für die Zielgruppe geplant und sensibel an die Menschen angepasst umgesetzt wird." Der weltweit anerkannte Designer Frank Chimero habe es, so Krainer, in dem Satz auf den Punkt gebracht: "People ignore design that ignores people." (Die Menschen ignorieren ein Design, das sie ignoriert.)
Prof. Martin Stummbaum von der Hochschule Augsburg, Fachbereich Soziale Arbeit, unterstrich, dass die Sozialpädagogik sich in einem Lernprozess hin zu einer "sozialpädagogisch professionellen Digitalisierung" befinde. Umso wichtiger sei der Austausch miteinander in der "partizipativen Forschung", so wie es beim Caritas-Projekt "Carikom" der Fall ist.
Während die Carikom-Bildschirm-App eine Nutzeroberfläche schafft, die die Zugänge zur Nutzung weiterer Apps stark vereinfacht, hat der Fachbereich "Interaktive Medien" der Hochschule Augsburg eine Kommunikations-App mit dem bezeichnenden Namen "huhu" entwickelt. Es handelt sich hierbei um einen "barrierefreien Messenger". Dieser baut auf dem Grundprinzip auf, dass man für die Kommunikation mit dem Mobilfunknetz kein großformatiges Smartphone braucht, um alles klar erkennen zu können. "huhu" gestaltet vielmehr die einzelnen Elemente für eine Kommunikation mit dem Smartphone klar, übersichtlichund auf das Wesentliche reduziert. Bedauerlich, dass diese App als studentisches Projekt derzeit noch nicht als App zur Verfügung steht.
Irina Kuster, Projektkoordinatorin, merkte bei der Produktpräsentation an, "dass wir noch viele Wünsche offen haben". Für Markus Lemcke aus Reutlingen, selbständiger Entwickler, der eine spastische Körperbehinderung hat, ist der Weg zur vollen digitalen Teilhabe noch weit. "Für mich bedeutet nämlich digitale Teilhabe, dass Menschen mit Behinderungen Webseiten, Software und Apps uneingeschränkt nutzen können." Die Carikom-App sei dazu ein wichtiger Schritt. Für Peter Hell, Leiter des Referates Teilhabe und Pflege beim Caritasverband für die Diözese Augsburg, erfüllt sich damit noch ein weiterer Aspekt: "Wir schaffen als Caritas für Menschen mit Behinderungen und für Senior*innen Möglichkeiten, die Welt mitgestalten zu können."