Was bedeutet es für ein Kind, wenn es seine vertraute Umgebung, seine Freunde verlassen muss? Speziell: Was braucht ein Kind, wenn seine Eltern sich im Zufluchtsland nach einer gewissen Zeit dafür entscheiden, wieder freiwillig in das Heimatland zurückzukehren? Beim „Transnationalen Austausch III“ von europäischen Rückkehrberatern im Haus St. Ulrich, zu dem der Caritasverband für die Diözese Augsburg eingeladen hatte, wurde dies anhand von Fallbeispielen aus der Beratungspraxis deutlich.
„Die Schule ist sehr streng, ich habe keine Freunde hier“, habe die Tochter, das älteste Kind einer armenischen Familie, nach ihrer Rückkehr aus den Niederlanden nach Armenien gesagt. Davon berichtete Lolkje van der Kooij vom Vluchtelingen Werk aus den Niederlanden, das nach der Rückkehr noch Kontakt zur Familie hatte. In der ersten Zeit in Armenien habe das Mädchen noch Schwierigkeiten in der Schule gehabt, wollte auch kaum das Haus verlassen. Da die Eltern jedoch alles getan hatten, um für ihre Kinder eine positive Atmosphäre zu schaffen, indem sie etwa der Tochter das ersehnte Fahrrad kauften, sei es gelungen, die Kinder mit ihrer neuen Heimat vertraut zu machen. Oft haben Kinder, wenn sie in jungen Jahren das Land ihrer Eltern verlassen haben, daran kaum mehr eine Erinnerung. Wie der elfjährige Sohn einer irakischen Familie, die aus den Niederlanden in den Irak zurückkehren wollte. „Ich erinnere mich ja gar nicht mehr an den Irak“, habe der Jüngste gemeint. Der Älteste hingegen wollte zusammen mit seinem Vater wieder eine neue Existenz in der alten Heimatstadt aufbauen. Die Mutter wäre lieber in den Niederlanden geblieben.
Es gehen oft Risse durch die Familien. Von der 16-jährigen Tochter einer irakischen Familie berichteten Thomas Palfinger und Philipp Epaid von der Caritas Wien. Die Mutter wollte zurück in den Irak, die Tochter mit ihr – doch dafür brauchte sie das Einverständnis des Vaters, der getrennt von der Familie lebte. Er hatte zunächst zugestimmt, dann abgelehnt, die Mutter flog alleine in den Irak. Nach vielen Gesprächen, so Thomas Palfinger und Philipp Epaid, sei es schließlich gelungen, das Mädchen, zusammen mit einer Begleitung, nach Bagdad zu schicken, wo die Mutter sie am Flughafen abholte. Ein Beispiel auch dafür, dass bei der Rückführung ins bisherige Heimatland oft ein Netzwerk von Organisationen, die die Familien bei ihren ersten Schritten unterstützen, zur Verfügung steht. Mit ihnen arbeiten die Rückkehrberater zusammen.
Dass Kinder ernst genommen werden müssen, dass sie mit einbezogen werden sollen, wenn es um eine freiwillige Rückkehr geht, das machte Dr. Meike Riebau, Advocacy Manager bei „Save the children“ deutlich. Sie wies auf die wesentlichen Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention hin. Danach haben alle Kinder auf der Welt das Recht, nicht diskriminiert zu werden. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass zu ihrem besten Wohle gehandelt wird, dass sie angemessene Lebensbedingungen vorfinden und Bildung erfahren, die ihnen hilft, sich zu entwickeln. Was heißt, so Meike Riebau, dass beim ganzen Prozess der Rückführung der Blick des Kindes berücksichtigt werden müsse – dies insbesondere durch Einbeziehung von Fachleuten, die die Kinder anhören.
Thema dieser Tagung war auch, die Fachleute der Rückkehrberatung damit vertraut zu machen, in welche Systeme, in welche Gegebenheiten die Kinder mit ihren Familien kommen, wenn sie zurückkehren. „Es sollte eine gewisse Sensibilität für die Rückkehrbedingungen geschaffen werden“, sagt Caritas-Mitarbeiterin Sarah Dillmann, Projektleiterin des Transnationalen Austausches III, über eines der Ziele dieser Tagung. In Workshops wurden die Rolle der Kinder und die gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten in unterschiedlichen Herkunftsländern vorgestellt. Aus Äthiopien etwa war zu erfahren, dass Kinder später dafür verantwortlich sind, für ihre Eltern im Alter zu sorgen. Armut in den Familien, vor allem auf dem Land, trage dazu bei, dass Kinder schon früh zur Mitarbeit angehalten sind. Die Folgen der Urbanisierung und der Dürren seien oft der Grund, warum unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ihre Heimat verlassen. Ein Bericht aus dem Irak zeigte die große Schere zwischen Arm und Reich auf. Wer privilegiert ist, kann sich für seine Kinder eine teure und gute Privatschule leisten und eine optimale medizinische Versorgung. Je nach Region seien die Lebensbedingungen für Kinder im Irak höchst unterschiedlich.