Caritas-Suchtfachambulanz will mit stärkerer Vernetzung den großen Herausforderungen entgegentreten
Dillingen, 17.05.2024 (pca). Sucht unter Jugendlichen ist kein Randproblem. Neugierde, Einfluss von Freunden, Flucht vor Problemen, psychische Überlastungen, psychische und körperliche Erkrankungen zählen zu den Ursachen. Der Konsum, so die Fachleute beginne immer früher, teilweise schon mit 13 Jahren. Auch eine Tendenz zu härteren Drogen (Opiate wie Heroin) und Medikamentenmissbrauch (Benzodiazepine) bestehe. Auffällig die vermehrte Nachfrage bei Mädchen. Zudem treten bei Jugendlichen vermehrt psychiche Erkrankungen als komorbide Störungen (Angst-, Zwangs-, Verhaltensstörungen und depressive Störungen) auf. Die Folgen des Missbrauchs von Alkohol oder Cannabis z.B. können dramatische gesundheitliche Folgen haben. Zugang zu den Jugendlichen zu finden ist schwer, da ihr Gehirn in der Phase der Pubertät und des Heranwachsens eine "Großbaustelle" ist, die rationalen Argumenten wenig zugänglich ist. "Die Herausforderungen in der Jugendsuchtberatung sind sehr groß", so Sabine Schmidt, die Leitung der Suchtfachambulanz der Caritas in Dillingen.
Nur vier Stunden sind dafür vorgesehen - als befristetes Projekt, die der Landkreis Dillingen fördert. Schmidt will es und kann es nicht dabei belassen. Sie hatte Kolleginnen und Kollegen der Jugendhilfe aus den verschiedensten Einrichtungen und Anbieten zu einem Fachtag inklusive Workshops zum Thema "Jugendsuchtberatung" eingeladen, "weil wir mehr Wissen voneinander brauchen und mehr Vernetzung benötigen, um besser helfen zu können". Schmidt warb dafür, mehr Geld für die Jugendsuchtberatung bereit zu stellen. Jeder Euro, der in das Suchthilfesystem für Erwachsene investiert werde, vermeidet für die Gesellschaft Folgekosten in Höhe von 17 Euro. "Bei der Jugendsuchtberatung lohnt es sich noch um viel mehr."
Studien gehen von vier bis sechs Prozent der Jugendlichen unter einer Alkoholsucht leiden. Rund 12 Prozent der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren konsumieren regelmäßig Cannabis, von den Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren greifen 3,5 Prozent regelmäßig zum illegalen Rauschmittel. Und dieser ist in abgewandelter Form von "E-Liquids" und "Gummibärchen" auch frei verkäuflich - auch in Dillingen. 17 Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren waren deshalb allein in 2023 bei der Dillinger Suchtfachambulanz zur Beratung im Einzel- und Gruppensetting. 27 Klient*innen im Alter von 18 bis 21 Jahren wurden bei 111 Terminen beraten. Diözesan-Caritasdirektor Diakon Markus Müller forderte zum Auftakt der Fachtagung zurecht dazu auf, sich den Herausforderungen zu stellen. "Wir können die Sucht unter Jugendlichen nicht wegdiskutieren. Wir müssen uns den Herausforderungen stellen und Hilfen anbieten." Er will sich deshalb dafür einsetzen, "die Politik wachzurütteln".
Das Programm des Fachtages bot einen umfassenden Einblick ist die gesamte Problematik der Sucht bei Jugendlichen vom Cannabiskonsum, in die spezifischen Herausforderungen einer Beratungsstelle für Jugendsuchtberatung, was es bedeutet, wenn eine Jugendliche oder ein Jugendlicher zur stationären Behandlung in das Josefinum in Augsburg eingewiesen wird und welche stationäre Rehabilitationsmöglichkeiten für suchtgefährdete und suchtkranke Jugendliche in Schwaben bestehen.
Stefanie Eder vom Fachbereich Gesundheit des Landratsamtes Dillingen verwies auf cannabisbezogene Störungen, die bei Jugendlichen bei 17 Prozent liegen und damit deutlich über den Fallzahlen bei Erwachsenen. Dazu zählen nicht nur Schlaf- und Konzentrationsstörungen, sondern auch Wucherungen des Zahnfleisches, erhöhtes Hodenkrebsrisiko und ein negativer Einfluss auf die Spermienbildung bei männlichen Jugendlichen. auftreten. Das betrifft nicht wenige. Eder sprach von 10% der 12- bis 17-jährigen, die schon einmal Cannabis konsumiert hätten, 1,6 % tun es regelmäßig. "Präventionsarbeit tut also Not", so Eder.
Das konnte ihr der Suchttherapeut Sebastian Müller aus seiner Sicht nur bestätigen. Er leitet die Fachambulanz für Suchterkrankungen der Caritas in Traunstein. 2018 war es ihr gelungen eine Vollzeitstelle für Jugendsuchtberatung einzurichten. Zwischen 100 und 150 Jugendlichen sind jährlich in der Beratung. Davon sind 47 % weiblich, 53 % männlich. Die Hauptdiagnosen waren in der Jugendsuchtberatung in 2022 37 % Cannabiskonsum, 24 % Alkoholmissbrauch, 15 % Essstörungen und 5 % exzessive Mediennutzung. "Junge Frauen trinken immer exzessiver und konsumieren auch immer mehr Ecstasy", so Müllers Beobachtung.
Zahlen sind aber nur ein Aspekt. Jugendsuchtberatung müsse, so Müller, andere Wege gehen als die für Erwachsene. "Wir benötigen dafür einen niedrigschwelligen digitalen Zugang." In Traunstein erfolge die Beratung derzeit über SMS als "Blended Counselling". Kontaktaufnahme, Beratung und Begleitung erfolgen deshalb sehr dynamisch. Die Beratungsverläufe seien deshalb nicht kürzer, vielmehr länger und müsse gleichzeitig plötzlich auftretende Bedarfe berücksichtigen. "Die Jugendlichen konsumieren querbeet alles, Cannabis, opiathaltige Medikamente als Beikonsum, sie zocken ganze Nacht, machen sich dicht auf vielfältige Weise und nehmen so nicht mehr am Leben teil."
Einfache und schnelle Schlüsse zu ziehen und vorschnell Suchtmittel konsumierende Jugendliche zu beurteilen, erkläre nicht die sehr komplexen Entwicklungshintergründe eines Suchtverhaltens bei Jugendlichen. Dr. med. univ. Gabriele Unterlaß, Oberärztin am Josefinum in Augsburg, Bis zur Geburt zurück schaue man sich den Lebensverlauf an, analysiere, wann das Suchtverhalten und warum es aufgetreten sei.
In ihrem Fallbeispiel "Anna" entwickelte das Mädchen in der 5. Klasse im Gymnasium chronische Rückenschmerzen. Sie musste ihre Hobbies aufgeben, verlor jegliche Lust am Lernen, Freundinnen zogen sich zurück, sie wurde gemieden. Ein sexueller Missbrauch führte dann zum endgültigen Absturz. Zugang zu diesen Jugendlichen zu finden, verlange Geduld und pädagogisches Geschick. "Es ist eine sehr lebendige und beziehungsorientierte Arbeit", die auch die Eltern mit einbeziehe. Denn, so die Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Josefinum, auch Familienangehörige von Suchterkrankten zeigen eine deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit, selbst eine Depression oder traumatische Erfahrungen zu erleiden.
Für die stationäre Behandlung von suchterkrankten Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren stehen im Josefinum nur sieben Behandlungsplätze in der geschützt geführten kinder- und jugendpsychiatrischen Therapiestation mit suchtmedizinischem und suchttherapeutischem Schwerpunkt zur Verfügung. Die Behandlung selbst dauere 12 bis 16 Wochen. Am Ende der Behandlung gehe es darum, mit den Jugendlichen Fähigkeiten zu entwickeln ("Skilltraining"), die Sebaeigenen Gefühle regulieren und eine "stabile Alltagsfunktionalität" aufzubauen.
Wie für suchterkrankte Erwachsene, so besteht auch ein Angebot für Jugendliche und junge Erwachsene von 14 bis 21 Jahren. Franziska Foldenauer (Therapeutische Leitung Rehabilitation) und Petra Kutscher (Pädagogische Leitung Rehabilitation) - beide von "Kompass Drogenhilfe" berichteten über die sechsmonatige Stationäre Rehabilitation mit Schulangebot für suchtgefährdete und suchtkranke Jugendliche der Kompasseinrichtung Impuls in Ottobeuren - "abgeschieden genug, damit die Jugendlichen nicht schnell verschwinden und sich etwas besorgen können".