Caritas-Hospizgruppen stellen sich angesichts der Krisen der Frage nach ihrer Zukunft
Im Sterben spitzt sich nicht nur das Leben eines Menschen zu. Hier zeigt sich auch in dramatischer Weise, welchen Wert eine Gesellschaft dem Menschen zuspricht. Seit nunmehr über 30 Jahren setzten sich die 23 Hospizvereine und -gruppen in der Caritas im Bistum Augsburg für ein würdevolles Sterben ein. Doch nun spreizen sich Entwicklungen in diese Bewegungen hinein, die ihre Arbeit in noch unbekanntem Ausmaß verändern kann. Die Klimakrise mit ihren heißen Sommern mit deutlich über 40 Grad, die schon jetzt viele Leben alter Menschen fordert, der Krieg in der Ukraine und anderen Ländern, die nicht nur die Erinnerungen alter Menschen an schreckliche Erlebnisse weckt, sondern auch das Miteinander in der Gesellschaft mit beeinflusst, sowie die "Pflegekatastrophe" (Prof. Dr. Reimer Gronemeyer) rütteln an dem hohen Ziel der Hospizarbeit, in der Begleitung, Unterstützung und im Trost die Fülle der Würde und Einzigartigkeit eines Menschen und Betreuung zur Geltung zu bringen. Wie soll es weitergehen? Damit setzt sich rund 150 haupt- und ehrenamtliche Hospizkoordinator*innen am Samstag bei ihrem alljährlichen Fortbildungstag in Augsburg auseinander.
Prof. Dr. Reimer Gronemeyer, Theologe, Soziologe, Alters- und Demenzforscher und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbandes, wehrte sich, wie es den Hospizdiensten ohnehin zu eigen ist, gegen eine Institutionalisierung, Medikamentisierung, Ökonomisierung und Projektierung des Sterbens durch entsprechende Planungsversorgungen und Optimierungen. "Ich will nicht, dass am Ende meines Lebens etwas steht, was ich nicht will und meiner Bestimmung als Mensch widerspricht", so der emeritierte Professor aus Gießen. Mit großer Sorge beobachtet er die sich zuspitzende Klimakrise, "die unsere Gesellschaft auf den Kopf stellen wird". Alte und schwache Menschen werden unter den hohen Temperaturen im Sommer besonders zu leiden haben. "Werden wir es beobachten müssen, dass sie dem durch den Tod entfliehen wollen?" Die Gesellschaft dürfe sich dabei nichts vormachen. "In Krisen sind die Schwächsten immer die ersten, die zu leiden haben. Die Corona-Krise ist ein gutes Trainingsbeispiel für das, was auf uns zukommt."
Auch für die Pflege konnte Prof. Gronemeyer kein hoffnungsvolles Bild zeigen. In seinen Augen ist es falsch, nur von Pflegenotstand zu sprechen. "Wir erleben eine Pflegekatastrophe!" Schon jetzt machten sich Überlegungen in den Einrichtungen und Diensten der Altenhilfe breit, das Angebot herunterzufahren, weil sie wegen des Personalmangels nicht aufrechterhalten werden könnten. "Diese Pflegekatastrophe droht auf die Hospizarbeit überzuschwappen", befürchtet er. Der Grund: Auch das Ehrenamt geht zurück, auch die Hospizarbeit "noch nicht" von dieser Ausdünnung betroffen zu sein scheint.
Die Sicherheit der Wohlstandsgesellschaft sei vorbei. Auch die Hospizarbeit könne sich nicht immer ihrer finanziellen Förderung sicher sein. Projektierungen des Sterbens vor dem Hintergrund mangelnden Personals und mangels gesicherter Finanzierungen dürften aber nicht die Antwort darauf sein. Im Gegenteil: "Die Hospizarbeit ist das Zentrum der Gesellschaft, wo Wärme und Zuwendung am deutlichsten spürbar wird." So stehe die Hospizarbeit an der Grenze zu einer Zeitenwende. "Es wird nicht so weitergehen", sagte Prof. Gronemeyer. Die so sicher geglaubte Sicherheit der letzten Jahrzehnte ist aufgebrochen. Wenn die Gesellschaft die Würde des Alterns und Sterbens im Sinn der Hospizarbeit sichern wolle, gibt es für Prof. Gronemeyer nur eine Antwort: "Wir brauchen einen Aufbruch der Gesellschaft, des Ehrenamtes und der jungen Menschen, helfen zu wollen. Wir müssen Innehalten und beginnen zu begreifen, dass wir es ohne einen Aufbruch der Gesellschaft zu ehrenamtlichem Engagement nicht schaffen werden, uns den Herausforderungen zu stellen. Wir brauchen einen Aufbruch, wo der Nachbar zu seinem Nachbar sagt "Brauchst Du Hilfe?"
Wie die haupt- und ehrenamtlichen Hospizmitarbeiter*innen sich ihren täglichen Herausforderungen stellen können, dem widmete sich der Nachmittag des Fortbildungstages für die Hospizgruppen. Christine Fricke vom Diözesan-Caritasverband widmete sich der Frage, wie Menschen mit sogenannter geistiger Behinderungen hospizlich begleitet werden müssten, da sie alles andere als gute Erfahrungen in der Vergangenheit als abgeschobener Krüppel mit sich herumtragen. Elisabeth Hill vom St. Vinzenz-Hospiz in Augsburg stellte die Klangmassage zur Entspannung vor. Johanna Nientiedt sprach über das für die meisten Menschen so prägenden, aber auch für die meisten unaussprechlichen Nahtoderfahrungen. Die Theologin Gudrun Theurer widmete sich der besonderen und neuro-biologisch bewiesenen Bedeutung des "am Bett sitzen". Diakon Norbert Kugler warb dafür, den Blick auf das Leben von Corona-Toten nicht auf den Tod durch das Virus zu reduzieren, so schrecklich dieses Erlebnis auch sein.
Uta Zeuner von der Hospizgruppe St. Elisabeth Schwabmünchen brachte es am Ende des Fortbildungstages auf den Punkt, warum dieser so wichtig ist: "Es ist gut, sich miteinander austauschen zu können, denn nur so können wir etwas weiterbringen."