Augsburg, 09.10.2013 (
pca
). Fast
20 Prozent der über 65-jährigen Menschen leiden an Depressionen. Obwohl als
wirkliche Krankheit anerkannt, herrschen dennoch Vorurteile in der
Gesellschaft, aber auch selbst bei den Betroffenen. „Die spinnt ja“, so der
Vorwurf gegenüber Menschen, die mehr und mehr aus ihrer Lebensspur geraten.
„Doch die spinnen nicht, sie sind krank und brauchen Hilfe.“ Brigitte
Wowra
, die dies unterstreicht, arbeitet seit drei Jahren
beim Sozialpsychiatrischen Dienst der Caritas in Neu-Ulm und betreut dort den
gerontopsychiatrischen
Aufgabenbereich.
Wowra
sprach beim Ehrenamtlichentag der Sozialpsychiatrischen Dienste der Caritas im
Bistum Augsburg über psychische Erkrankungen im Alter.
Depressionen sind offensichtlich nicht so leicht zu
diagnostizieren. „Fast 50 Prozent der Depressionen werden nicht erkannt“, so
Wowra
. Eine Ärzteschelte verband sie mit dieser
Feststellung nicht. Depressionen seien nämlich keine Krankheit, die auf einmal
auftrete und dann gänzlich zu erkennen sei. Depressionen entwickeln sich in
„einem schleichenden Prozess“. Der Beginn ist undeutlich. Doch wenn die
Symptome „Jammern und Weinen“, fortwährende Unruhe und Unrast, Reizbarkeit,
Gewichtsverlust, Schlaflosigkeit, ein sich steigerndes Gefühl der eigenen
Wertlosigkeit, Abnahme der Denk- und Konzentrationsfähigkeit sich über einen
längeren Zeitraum erstrecken und keine Besserung eintritt, dann seien es nicht
mehr nur Beschwerden, „sondern klare Hinweise auf eine depressive Erkrankung“.
Dann sollte man spätestens einen Facharzt oder eine Beratungsstelle aufsuchen,
so ihr Rat.
Diesen Rat sprach
Wowra
vor den
ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern deutlich aus. Doch gleichzeitig gab sie
zu bedenken, vorsichtig mit den Begriffen „Facharzt“, „Sozialpsychiatrische
Beratungsstelle“ und „Psychiater“ im Gespräch mit Betroffenen umzugehen.
„Ältere Menschen schämen sich dafür, psychisch erkrankt zu sein. Wenn sie diese
Begriffe hören, machen sie die Schotten dicht.“
Zudem hätten Untersuchungen gezeigt, dass ältere Menschen, wenn sie
erkranken, nun einmal zu ihrem Haus- bzw. Allgemeinarzt gehen, zu dem sie in
vielen Jahren ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hätten. Zwar würden
Depressionen in Allgemeinarztpraxen in nur 8 bis 11 Fällen von 100 erkannt und
diagnostiziert, 70 bis 80 Prozent der an Depressionen erkrankten Menschen
würden aber gleichzeitig von Allgemeinärzten behandelt. „Deshalb ist es wichtig
insbesondere für Angehörige, den Hausarzt für eine mögliche Diagnose und
Behandlung mit einzubeziehen“, so
Wowra
.
Angehörigen und Freunden wie auch den ehrenamtlichen Helfern
empfiehlt sie, die betroffenen erkrankten Personen nicht mit Ratschlägen zu
konfrontieren, sondern ihnen zuzuhören und auf sie einzugehen. Im Gespräch
miteinander könnte das, was seelisch nicht verarbeitet wurde und vielleicht
auch zu der depressiven Erkrankung führte, etwas aufgebrochen werden. Helfer,
Berater, Angehörige und Freunde sollen für dieses Gespräch „viel Humor, viel
Liebe und noch mehr Liebe mitbringen“, wie es die ehrenamtliche Helferin
Stana
Porok
(64) aus Thannhausen
auf den Punkt brachte. Aber auch das Gebet, fügte
Wowra
hinzu, könne an Depressionen erkrankten Menschen helfen, wie sie aus vielen
Erzählungen gläubiger Menschen weiß. „Der Mensch tritt ein in eine
Kommunikation mit seinem Gott und kann dadurch bei ihm Belastendes abladen.“